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Institutsabend des DWI am 12. Mai 2009

 

„Mit beiden Beinen auf dem Boden und einer Hand im Himmel…“

 

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Dass dieses Motto auf sie zutrifft, bewies die Begine Schwester Brita Lieb-Lots beim Institutsabend des Diakoniewissenschaftlichen Instituts am 12. Mai 2009. Vor ca. fünfzig interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern gab sie einen historischen Überblick über die Entstehung der Beginenbewegung seit dem 12. Jahrhundert und spannte gleichzeitig den Bogen zur Situation der Frauen von heute.

 

 

 

Um 1100 wurde der Titel „Begine“, der sich wahrscheinlich von „Benigue“ („Die für das Gute brennt“) ableiten lässt, erstmals in historischen Quellen erwähnt. Beginenhöfe und -konvente sind seit 1220 in Deutschland nachweisbar. Der Zusammenschluss bot den Frauen die Möglichkeit, in relativer Freiheit gemeinschaftlich zu leben, ohne einem Orden zu unterstehen. 

So zeichneten sich die Beginen durch ihre  wirtschaftliche Unabhängigkeit, die durch Stiftungen, eigenes Vermögen und Arbeit gewährleistet werden konnte, sowie durch ihre eigenständige Rechtsfähigkeit aus. Als europäische Frauenkulturbewegung sind Beginenhöfe in vielen Teilen Europas – wie Holland, Belgien oder Spanien – entstanden. 13 der Beginenhöfe in Flandern, beispielsweise der Hof in Brügge, wurden 1998 zum UNESCO-Welterbe erklärt. Für Deutschland konnten Hinweise auf Beginenhöfe in über 600 Städten gefunden werden.

 

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An diese Geschichte knüpft die heutige Beginenbewegung, die vor 25 Jahren von religiösen Frauen wiederbelebt wurde und durch die zweite Frauenbewegung Auftrieb erhielt, an. Die Gründung des Dachverbands 2004 und die zahlreichen heute existierenden Höfe in 32 Städten Deutschlands (u.a. in Bochum, Dortmund, Berlin), die Schwester Brita in ihrem Vortrag durch reichhaltiges Bildmaterial zum Leben erweckte, zeigen, dass die Tradition heute wieder lebendig ist.

 

 

Was aber verbindet die Frauen durch diese 900 Jahre hindurch?

 

P1010944cZum einen sah Brita Lieb-Lots eine entscheidende Parallele darin, dass sich die Gesellschaft damals in einer Umbruchszeit befand, wie sie auch heute wieder zu beobachten sei. Themen wie Bildungshunger, soziale Not in den Städten, Ehekrisen und finanzielle Probleme beträfen Frauen früher wie heute und riefen gleichzeitig Solidarität unter den Frauen hervor. So stellt sich der Zusammenschluss in gemeinsamen Wohnprojekten als Beginen als eine Form gelebter Solidarität unter Frauen dar. Insbesondere alleinerziehende Mütter geraten in den Fokus, wenn Schwester Brita, selbst Mitglied im Vorstand des Dachverbandes, betont, in wie vielen Beginenhöfen Kinder wohnen, die durch die Gemeinschaft getragen werden.

 

Zentrale Elemente dieser Lebensform seien Gemeinschaft, Spiritualität sowie politisch-soziales Engagement – all dies jedoch in großer Freiheit. Dies sei auch das wichtigste Prinzip der Beginen: „Jede Gemeinschaft muss sich ihre Regeln selbst geben.“ So gibt es auch die unterschiedlichsten Frauenwohnprojekte, wie der Vortrag zeigte. Schwester Brita betonte den Reichtum, an die lange Tradition der Beginen auch heute noch anknüpfen zu können: „Die Tradition ist ein großer Rückhalt. Auf die 900 Jahre Frauenbewegung will ich nicht verzichten.“ Ihrer Ansicht nach biete die Rückbesinnung auf die Tradition die Chance, Neues entstehen zu lassen.

 

P1010938aSie schloss ihren Vortrag mit den Worten: „Wo sind die Beginen von heute?“ Dass sich einige potenzielle Beginen bereits im Vortragsraum befanden, zeigte die anschließende Diskussion, bei der mit regem Interesse nach der möglichen Umsetzung in Heidelberg gefragt wurde. Brita Lieb-Lots verriet nur soviel, dass es bereits zwei zu renovierende Objekte gebe, die dem Dachverband angeboten worden seien. Anschließend bot sie ihre Unterstützung bei Fragen zum Aufbau von Projekten an. Ganz nach der Tradition der Beginen, die initiativ für ihre Sache einstehen, wurde von zwei Interessentinnen die Idee in den Raum gestellt, einen Runden Tisch zum Thema einzurichten. Frau darf also gespannt sein…

 

Interessierte Frauen wenden sich an die Vorstandsfrauen vom Dachverband:

Begine Brita Lieb, 0661-2509335, Mail: begine.brita@familielieb.de

 

 

Weiterführende Literatur:

 

  • Frank-Michael Reichstein: Das Beginenwesen in Deutschland, Berlin 2001.
  • Annette Kuhn/Bea Lundt (Hg.): Lustgarten und Dämonenpein. Konzepte von Weiblichkeit im Mittelalter und Früher Neuzeit, Dortmund: Ed. Ebersbach 1997.
  • Ilse Schulz: Schwestern, Beginen, Meisterinnen: Hygieias christliche Töchter im Gesundheitswesen einer Stadt. Ein Beitrag zur Geschichte der Pflege und Heilkunde, Ulm 1992.
  • Maria G. Calzà: Dem Weiblichen ist das Verstehen des Göttlichen auf den Leib geschrieben. Die Begine Maria von Oignies (gest. 1213) in der hagiographischen Darstellung Jakobs von Vitry (gest. 1240) (Bibliotheca Academica 3), Würzburg 2000.

Weiterführende Informationen zum Dachverband der Beginen finden sie hier.

 

von Sabine Mayer

 

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 29.05.2018
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