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Heidelberger Impulse zur Pflegegeschichte

Dieser Artikel wurde ursprünglich veröffentlicht bei RNZ-Online.

Von Tobias Schopper

Vor 60 Jahren wurde die Heidelberger Schwesternschule im Neuenheimer Feld zwischen der Chirurgie und dem Botanischen Garten eröffnet - genauer gesagt am 8. August 1953. Finanziert wurde sie größtenteils von den Amerikanern. Zwar stellte das Land Württemberg-Baden den Baugrund zur Verfügung, doch die USA übernahmen die Kosten für den Bau des Gebäudes und die Rockefeller-Stiftung bezahlte die Inneneinrichtung.

Zum Jubiläum lud das Diakoniewissenschaftliche Institut (DWI) zu einem Institutsabend zum Thema "Heidelberger Impulse zur Pflegegeschichte".

Institutsabend
 

Während Reinald Schmidt-Richter von der Akademie der Gesundheitsberufe die geschichtliche Entwicklung der Schwesternschule nachzeichnete und durch viele Bilder und Anekdoten einen lebendigen Einblick in den Alltag der Schülerinnen gab, betonte Dr. Christine Auer von der SRH Fachhochschule für Gesundheit in Gera die Besonderheiten der Schwesternschule und die pflegewissenschaftlichen Impulse, die von ihr ausgingen.

Ihre finanzielle Unterstützung knüpften die Amerikaner damals an eine Reihe von Bedingungen: Beispielsweise sollte die Ausbildung an der Schule drei anstelle der üblichen zwei Jahre dauern und an die medizinische Fakultät der Universität angegliedert sein. Während ihrer Ausbildung sollten die Schülerinnen nicht zu Arbeitsleistungen in den Kliniken verpflichtet werden. Dadurch nahm die Schwesternschule von Anfang an eine Sonderrolle in der Pflegelandschaft ein, die ihr auch bald den Spitznamen "Holly-Schule" einbrachte. Schmidt-Richter vermutet, dass dieser vom englischen Wort "holiday" stammt. Denn durch ihre Sonderposition hielt sich das Vorurteil, dass die Schülerinnen der Schwesternschule nie arbeiten würden.

Im Laufe der Jahre hatte die Schule immer wieder mit der Regulierungswut des Pflegegesetzes zu kämpfen, die ihre Prinzipien bedrohten. In einem Tarifabschluss des Jahres 1968, der vorschrieb, dass Pflegeschüler in den Dienstplan der Kliniken aufgenommen und ein festes Gehalt bekommen müssen, ist die Heidelberger Schwesternschule noch als einzige explizit von den Regelungen ausgenommen. Die Sonderposition ging nach und nach verloren. Im Jahr 2005 schließlich die Zäsur - die Schwesternschule wurde in die neu geschaffene Akademie für Gesundheitsberufe eingegliedert.

Aber auch in den neuen Strukturen, betonte Auer, knüpft die Schwesternschule weiter an ihre eigene Konzeption an. Die Heidelberger Schule der anthropologischen Medizin stellt die Person des Kranken in den Mittelpunkt. Alle Gesundheitsberufe arbeiten dabei als Team auf Augenhöhe zusammen und orientieren sich nicht alleine an der Medizin und den Naturwissenschaften, sondern binden auch psychosomatische, psychische und soziale Aspekte mit ein. Dieser generalistische Ansatz wurde von Absolventinnen der Schwesternschule in die wissenschaftliche Debatte eingeführt und weiterentwickelt. Mehrere Absolventinnen gehörten in diesem Fachbereich zu den ersten Professorinnen Deutschlands.

Nach den Vorträgen tauschten sich die Gäste, darunter viele ehemalige Schülerinnen oder Dozenten der Schwesternschule, über aktuelle Entwicklungen in der Pflegelandschaft aus. Besonders der anhaltende Geld- und Personalmangel, so die einhellige Meinung, sei Gift für den generalistischen Ansatz der Heidelberger Schule.

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 22.05.2018
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