Edition ausgewählter Predigten
von Johann Hinrich Wichern

Die Werke Johann Hinrich Wicherns (1808-1881) liegen uns in drei Werkausgaben vor: 1901-1908 erschien die sechsbändige Ausgabe „Gesammelte Schriften“, 1956-1962 die dreibändige Edition „Ausgewählte Schriften“ und 1958-1988 die editorisch zehnbändige und buchbinderisch zwölfbändige Ausgabe der „Sämtlichen Werke“ (von Peter Meinhold und Günter Brakelmann).

Es mag vielleicht verwundern, aber trotz dieser insgesamt 21 Bände enthält keine der drei Werkausgaben auch nur eine einzige Predigt Wicherns. Die Edi­tion von Predigten Wicherns wird zwar in den Vorworten der zuerst erschiene­nen Bände der Meinhold-Ausgabe angekündigt, ebenso wie eine Edition seiner Briefe. Beides wurde durch die Edition jedoch nicht eingelöst. Auch in den Unterlagen der von Günter Brakelmann abgeschlossenen Meinhold-Ausgabe finden sich keinerlei Anzeichen für entsprechende Vorarbeiten zu den Predig­ten Wicherns. Wichern selbst hat zu seinen Lebzeiten nur zwei Predigten veröffentlicht.

Das Projekt einer Edition der Predigten Wicherns hat Ende der 1980er Jah­re Gerhard K. Schäfer, damals Assistent am Diakoniewissenschaftlichen In­sti­tut, entwickelt; Volker Herrmann ist Mitte der 1990er dazu gestoßen. Der Edi­tionsprozess hat sich als sehr langwierig herausgestellt, da Wichern beim handschriftlichen Konzipieren seiner Predigten natürlich nicht an eine spä­tere Veröffentlichung gedacht hat. Zudem wurde er bereits zu seinen Schulzeiten zu einer sauberen Handschrift ermahnt.

Was hat sich erhalten? Im Archiv des Rauhen Hauses in Hamburg werden 118 Predigten aufbewahrt, davon sind 110 Predigten datiert. Die erste Predigt hielt Wichern 1826 als 18-Jähriger in seiner Zeit als Schüler des Hamburger Akademischen Gymnasiums. Die letzte Predigt ist aus dem Jahr 1873 überlie­fert, also 48 Jahre nach der ersten Predigt. Es gibt über diesen Zeitraum verteilt insgesamt zehn Jahre, aus denen wir keine Predigt haben. Die mit Abstand meisten Predigten eines Jahres stammen aus dem Jahr 1832, dem Jahr seines theologischen Examens und der Arbeit in der Sonntagsschule von Johann Wil­helm Rautenberg. Nimmt man das folgende Jahr 1833, das Jahr der Grün­dung des Rauhen Hauses hinzu, so stammen 20 der 110 Predigten aus diesen beiden Jahren.

Die Edition der Predigten versucht durch die Auswahl den langen Predigt­zeitraum von fast einem halben Jahrhundert repräsentativ abzudecken. Zudem wurden für Wicherns Biographie bedeutsame Predigten wie seine erste Predigt, seine Examenspredigt, die beiden Predigten aus dem Revolutionsjahr 1848 aufgenommen. Mit der Edition der Predigten Wicherns wird der Forschung eine bislang nicht er­schlossene Quelle zur Theologie Wicherns vorliegen.

• Johann Hinrich Wichern, Predigten in Auswahl, hg. von Volker Herrmann und Gerhard K. Schäfer (VDWI 20), Heidelberg 2010, ca. 320 Seiten.
  

Zu den Herausgebern:

• Prof. Dr. Volker Herrmann ist Professor für Evangelische Theologie/Dia­ko­nie­wissenschaft am Studien­standort Hephata/Treysa an der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt;
• Prof. Dr. Gerhard K. Schäfer ist Professor für Diakoniewissenschaft und Gemeinde­pädagogik und Rektor der Evangelischen Fachhochschule in Bochum.